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Beim Wandern in erschlossenen Gebieten sowie beim Hüttenwandern genügt in der Regel ein kleines Taschenmesser um Speck, Käse oder Brot zu schneiden.

Beim Wandern oder bei der Arbeit in abgelegenen Wildnisgebieten werden im alltäglichen Leben dagegen ganz andere Anforderungen an das Schneidewerkzeug gestellt. Ob zum Fleischschneiden, Brotschneiden, Fisch zerlegen, Birkenrinde ernten, Holz entasten oder Herstellen von Kiefernspänen, hier sind echte Werkzeuge gefragt, die ihren Zweck nicht nur in der Not, sondern über mehrere Wochen täglich erfüllen.

Eine Minisäge am Multitool erlaubt zwar in der Not einen kleinen Ast durchzusägen, ist aber völlig unbrauchbar für den Waldläufer, der bei Frost täglich einen Zentner Holz verfeuert.
Wer zu Fuss unterwegs ist, muss allerdings einen Kompromiss zwischen erforderlichem Werkzeug und dem zumutbaren Gewicht finden. Die Entscheidung ist in jedem Fall individuell und wer bei der Fotoausrüstung spart, kann sich dafür z.B. beim Beil mehr Gewicht erlauben. Dank neuer Materialien und Techniken lässt sich heute in einigen Fällen aber das Gewicht drücken ohne an Funktionalität einzusparen.

Ich möchte im folgenden Text erläutern, unter welchen Bedingungen ich welche Werkzeuge einsetze.
Ich nehme beim Wandern grundsätzlich ein kräftiges Messer mit feststehender Klinge (11-14 cm) mit.  Da ich beim Wandern gerne angle und auch Speck und Salami schneide, muss das Messer sehr scharf sein und wird nicht zum Herumwerkeln an Holz verwendet. Wenn ein Messer v.a. sehr scharf und nicht in erster Linie standfest sein soll, verwendet man ein Messer mit dem typischen nordischen Schliff, also mit sehr spitzem Winkel und breiter Fase.

Man kann grob drei Methoden der Klingenbearbeitung unterscheiden:

  1. Messer mit sehr spitzem oder spitzem Winkel und breiter Fase, so dass der Stahl zur Schneide hin hauchdünn ausläuft. Nur solche Messer kann man so scharf abziehen, dass man sich damit rasieren kann. Solche Klingen sind wegen der geringen Materialstärke der Schneide sehr empfindlich und biegen an der Schneide bei unsachgemässer Behandlung um und werden stumpf. Harter Carbonstahl hat eine höhere Schnitthaltigkeit, ist aber andererseits spröde und splittert bei unsachgemässer Behandlung und bricht aus.

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    Rasiermesserscharfe Schneide eines nordischen Messers (Bergströmklinge) mit spitzem Winkel und sehr breiter Fase (gelb markiert), die auf dem Wasserstein geschärft wurde.

  2. Messer denen auf der Schneide mit schmaler Fase ein stumpfer Schliff-Winkel aufgesetzt ist. Solche Messer haben eine standfestere, weil stärkere Schneide und eignen sich dazu um an Holz herum zu schnitzen ohne dass die Schneide gleich stumpf wird. Solche Messer erreichen aber nie die Schärfe der spitzwinkligen Klingen, nicht zuletzt, da die breitere Schneide beim Einschneiden ins Material einen grösseren mechanischen Widerstand bietet.

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    Schartige Schneide eines Schweizer Offiziersmessers mit schmaler Fase (gelb markiert) und stumpfem Winkel, die auf einem Wetzstahl grob geschärft wurde.

  3. Eine eigene Stellung haben Messer mit Hohlschliffklinge, die vorne eine recht schmale Fase haben, wobei der Schliffwinkel wegen des bikonkaven Querschnittes recht spitz sein kann. Wegen der schmalen Fase sind sie freihändig schwieriger zu schärfen als die nordischen Messer, die mit breiter Fase auf dem Schärfstein aufliegen

Wenn nun beim Wandern mehrere Aufgaben auf das Schneidwerkzeug warten, so bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten:

  • Wenn man aus Gewichtsgründen nur ein Messer mitnehmen möchte, so kann man den einzelnen Klingenbereichen unterschiedliche Aufgaben zuordnen. Man bestimmt z.B. den griffnahen Klingenbereich zum Herstellen von Holzspänen (womit dieser Teil bald etwas stumpfer wird) und reserviert den vorderen Klingenteil für Arbeiten, bei denen maximale Schärfe gewünscht wird (Fisch ausnehmen, Schinken schneiden). Die Klingenspitze wiederum ist ohnehin schwer auf Rasiermesserschärfe zu bringen und kann für knifflige Schnitzarbeiten in Holz verwendet werden.
  • Wenn man auf das Gewicht nicht sonderlich achten muss, so sollte man für jeden Zweck auch das adäquate Werkzeug einsetzen, da man dann effizienter arbeiten kann und da es einfach vielmehr Spass macht mit richtigem Werkzeubei der Arbeit zu sein.

Bei allen Wandertouren oder Expeditionen, die nicht länger als eine Woche dauern, verfahre ich gemäss dem letzteren Punkt und führe verschiedene Schneidwerkzeuge mit mir. Hier seien zur Anregung einzelne Kombinationen vorgestellt, die sich im Lauf der Jahre und bei unterschiedlichen Wanderungen und Exkursionen in Wildnisgebieten bewährt haben. Es ist zu bedenken, dass beim Wandern zu zweit oder zu dritt Säge und Axt auf die Teilnehmer verteilt werden können.

  1. Touren im borealen Waldland, bei denen Feuerholz vorhanden ist und (z.B. wegen regelmässigem Frost) ein abendliches Feuer notwendig ist. Hier freut man sich über ein Beil  mit etwas längerem Stiel, das die Bearbeitung von über 20 cm starkem Holz erlaubt. Eine grosse japanische Astungssäge ermöglicht kraftsparendes Arbeiten am Astwerk. Es können ausserdem leicht Stangen zum Bau eines Unterstandes mit Poncho oder Tarp zugerichtet werden. Das grosse Arbeitsmesser eignet sich gut zur Herstellung von Kiefernspänen und zum Abtrennen von Birkenrinde, ich benutze es auch beruflich zur Untersuchung von Torf. Wer seine Axt auf dem Wasserstein geschärft hat, kann auch damit Späne schneiden und das grosse Messer einsparen.

     

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  2. Touren im Waldland, bei denen man auf das Gewicht achten muss.

    Hier wird die Axt durch ein Beil mit etwas kürzerem Stiel ersetzt, der immer noch so lange ist, dass man mit Schwung zuhauen kann (Gewicht 1kg). Es kommt ausserdem eine kleine japanische Säge zum Einsatz, die kaum mehr als 100g wiegt. Auf ein grosses Arbeitsmesser wird vezichtet. Zum Einsatz kommt ein scharfes, nordisches Allzweckmesser.

     

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  3. Fjälltouren, die nicht durchgängig über der Waldgrenze verlaufen.

    Im Fjäll habe ich, wenn möglich, eine Kombizange dabei, da hier die Möglichkeit der Reparatur von Zelt, Kocher und Rucksack wegen der widrigen Bedingungen hohe Priorität hat. Ich habe ausserdem immer ein gutes Stück Draht im Rucksackrohr , mit dem z.B. schon geplatzte Schultergurtverschlüse geflickt wurden. Die kleine Astsäge erlaubt die Zurichtung von Feuerholz bei gelegentlichem Lagerfeuer sowie von Stangen für einen Unterstand. Ein kräftiges Messer erfüllt  verschiedene Aufgaben.

     

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  4. Wandertouren im Kahlfjäll mit schwerem Rucksack (Proviant): Wenn im Rucksack 10-12kg Proviant drücken und die Gewichtsersparnis an erster Stelle steht, bleibt alles verzichtbare Schneidgerät zu Hause. Hier setze ich nur ein vielseitiges Messer sowie eine Kombizange ein.

 

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